Eisklettern im Pitztal

„Sich den von der Natur gezeichneten Linien hingeben. Kraft walten lassen - Pickel einschlagen. Mit den Füßen elegant nachsteigen. Dem Lauf des Wassers folgen. Bewusst die klare Luft einatmen und in die Lungenflügel pumpen. Der Angst keinen Zutritt verschaffen, die Konzentration auf das Hier und Jetzt lenken. 

So würde vielleicht ein Profi-Kletterer die Tätigkeit beschreiben, sich senkrecht über blankes Eis zu bewegen. Ich erlebte meine „Expedition Eisklettern“ anfänglich etwas anders.

Höchst motiviert und selbstbewusst meldete ich mich für die Expedition an: „Wo ein Wille, da ein Weg“ und so. Aber bereits bei der Materialausgabe im Hotel wurde mir anders: Wie soll es möglich sein, sich nur mit zwei Eispickeln und Metallspitzen an den Schuhen senkrecht über blankes Eis zu bewegen? Und was sagt eigentlich mein Körper, sprich Kondition und Kraft, dazu? Ganz zu schweigen von meiner mentalen Stärke, die gerade in die zweite Reihe trat. Dennoch und aber: Wann, wenn nicht jetzt. Und warum nicht? Diese einfachen Fragen erwarten eine noch einfachere Antwort: Tun. 

"Überwinden. Adrenalin aufkommen lassen. Sich wagen. Leben.”

Und so wagte ich meine allerersten Schritte mit Steigeisen und Pickel in die Steilwand. Abgesehen von der Angst, die bei mir beim Runterschauen aufkeimte. Abgesehen von der Angst, dass ich meinen Eispickel nicht tief genug im Eis platziert hatte und rutschen würde. Und auch abgesehen von der Angst, mir zu viel zuzumuten, war alles in Ordnung. Ich atmete, ich blickte nach oben und nach unten, ich bewegte mich vorwärts, ich war.

Ich habe mich getraut, etwas zu wagen. Und ich würde es immer wieder machen. Denn so stolz und lebendig wie auf dem Nachhauseweg von der Klettertour habe ich mich schon lange nicht mehr gefühlt."